Nicht alle Absolvent:innen eines Medizinstudiums planen später eine kurative ärztliche Tätigkeit im Spital oder in der Praxis. Der Wunsch nach einem alternativen Karriereweg kann aber auch erst später aufkommen. Wir zeigen Dir, welche Karrierewege Ärzt*innen offen stehen.
Allgemein wird der Anteil von nicht kurativ tätigen Absolvent:innen eines Medizinstudiums in der Schweiz auf rund 10% geschätzt. Jede:r zehnte Mediziner:in steigt also frühzeitig aus. Eine vom vsao in Auftrag gegebene Studie [1] hat sich intensiv mit dem Ausstieg beschäftigt. Befragte Ärzt:innen, welche die kurative Tätigkeit aufgegeben haben, wurden nach ihrer aktuellen Tätigkeit befragt. Hier stellte sich heraus, dass ein abgeschlossenes Medizinstudium für 26% eine Voraussetzung für die aktuelle Tätigkeit ist. Ein weiterer grosser Teil gibt an, dass die ärztliche Qualifikation zwar nützlich aber nicht notwendig ist und nur 8% geben an, dass das Medizinstudium für ihre aktuelle Tätigkeit nicht nützlich ist. Die Gründe für den Ausstieg aus der kurativen ärztlichen Tätigkeit sind grösstenteils das Arbeitspensum, die Arbeitszeiten und die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch hierfür können alternative Karrierewege eine gute Lösung sein.
Wir zeigen Dir in diesem Artikel hauptsächlich berufsnahe Tätigkeiten und Weiterbildungen. Denn mit dem Medizinstudium hast Du zusätzlich zum komplexen medizinischen Fachwissen eine breite naturwissenschaftliche Ausbildung erhalten, welche Dir auch in anderen beruflichen Kontexten von Nutzen sein können. Zudem ist das Medizinstudium auch generell ein wertvoller Leistungsausweis.
Als Mediziner:in innerhalb eines Spitals oder einer Organisation von der kurativen Tätigkeit in eine Führungsposition zu wechseln liegt nahe, wenn Du ein grosses Interesse an Organisation und Führung hast. Jedoch rückt das medizinische Können hierbei in den Hintergrund. Gefragt sind nun Management-Qualitäten sowie ökonomisches Denken und Know-how.
Folgende Fortbildungen im Bereich Management könnten spannend für Dich sein:
CAS Leadership in Health Care Organisations, Universität Bern
CAS Healthcare Management, Universität Bern
CAS Systemisches Management im Gesundheitswesen, Universität St. Gallen
CAS Management im Gesundheitswesen, zhaw School of Management and Law
CAS Unternehmensführung im Gesundheitswesen, zhaw School of Management and Law
CAS Digital Health for Medical Leaders, Universität Zürich
Auch die Pharmaindustrie ist ein naheliegender Tätigkeitsbereich für Ärzt:innen. Als Mediziner:in kannst Du Aufgabenbereiche von der Forschung an neuen Wirkstoffen über die Produktentwicklung, Anwendungsstudien bis hin zum Marketing und Vertrieb von Medikamenten übernehmen. Auch Führungspositionen in der Pharmaindustrie werden oft von Ärzt:innen bekleidet. Zudem sind Ärzt:innen durch ihr medizinisches Know-how auch als Medical Advisor bei Pharmaunternehmen gefragt.
Neben dem Facharzttitel der Pharmazeutischen Medizin könnten folgende Fortbildungen im Bereich Pharmazie spannend für Dich sein:
CAS Pharmaceuticals - From Research to Market, Universität Zürich
CAS Management of Biotech, Medtech & Pharma Ventures, EPFL
Falls Du Dich für einen PhD entschieden hast, ist es gut möglich, dass Du bereits ganz zu Beginn Deiner Karriere im Rahmen der Dissertation erste Lehraufgaben an der Universität übernimmst. Um später dann eine Professur an einer Universität übernehmen zu können, wird eine Habilitation vorausgesetzt. Um zur Habilitation zugelassen zu werden, musst Du zusätzlich zur Promotion eine Anzahl an Leistungen vorweisen können. Dies sind unter anderem eine Anzahl an Originalarbeiten mit einer bestimmten RCR (Relative Citation Ratio), eine längere Forschungstätigkeit, regelmässige Teilnahme und Präsentation von Forschungsergebnissen an nationalen und internationalen Tagungen sowie die erfolgreiche Betreuung einer Dissertation.
Folgende Fortbildungen im Bereich Lehre und Unterricht könnten spannend für Dich sein:
MAS Medizindidaktik, Universität Bern
CAS Hochschullehre, Universität Bern
CAS Hochschuldidaktik, Pädagogische Hochschule Zürich
Auch in der Forschung stehen Dir als Mediziner:in viele Türen offen, sei dies an einer Hochschule, in der Industrie oder an privaten Forschungsinstitutionen. Eine Karriere in der Forschung ist vor allem für jene Mediziner:innen spannend, die analytisch stark und theoretisch interessiert sind. Meist ist auch hier ein PhD, selten sogar eine Habilitation Voraussetzung. Im Vergleich zu einer Forschungstätigkeit an einer Hochschule muss in der Industrie weniger publiziert werden. Zudem ist die Zusammenarbeit hier oftmals sehr interdisziplinär. Als Mediziner:in kannst Du in der Industrie beispielsweise in der Forschung und Entwicklung von Heilmitteln, ihrer regulatorischen Zulassung oder auch an der Entwicklung von diagnostischen Verfahren tätig sein.
Folgende Fortbildungen im Bereich Forschung könnten spannend für Dich sein:
CAS Forschungsmanagement, Universität Bern
CAS Clinical Research Coordinator, Berner Fachhochschule
CAS Pharmaceuticals - From Research to Market, Universität Zürich
DAS Clinical Research, Universität Zürich
Als Mediziner:in bist Du im Bereich Public Health eine gefragte Fachperson. Die Tätigkeitsfelder reichen von den Gesundheitsämtern des Bundes und der Kantone über die Rechtsmedizin, Gesundheitsprävention bis zur Arbeits- und Umweltmedizin. Besonders spannend ist hier die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Expert:innen aus den Bereichen Recht, Sozialwissenschaften usw. Als Fachperson für Public Health befasst Du Dich mit dem Gesundheitszustand der Bevölkerung oder einzelner Bevölkerungsgruppen. Mögliche Arbeitsorte sind hier die Bundesämter BAG oder BAFU, sowie Kantonsärztliche Dienste und Gesundheits- und Fürsorgedirektionen.
Neben den Facharzttiteln Prävention und Gesundheitswesen und Rechtsmedizin könnten folgende Fortbildungen im Bereich Public Health / Öffentliches Gesundheitswesen spannend für Dich sein:
MAS Public Health, Universitäten Basel, Bern und Zürich
CAS MedLaw, Universität Zürich
Wenn Dich neben den medizinischen Bereichen auch juristische und arbeitsrechtliche Fragen interessieren, ist eine Tätigkeit als Expert:in bei Versicherungen oder Krankenkassen eine mögliche Option. Auch im Versicherungswesen sind Ärzt:innen gefragte Fachpersonen. Du solltest ein Grundwissen im Krankenversicherungsrecht sowie Interesse an sozialmedizinischen Fragestellungen mitbringen. Besonders bei Krankenkassen und in den Bereichen der Lebensversicherung und Unfallversicherung wird medizinisches Wissen für Begutachtungen, Bewertungen und Beratungsangebote gebraucht. Als Mediziner:in übernimmst Du hier also hauptsächlich Berater- und Gutachtertätigkeiten.
Folgende Fortbildung könnte spannend für Dich sein:
MAS Versicherungsmedizin, Universität Basel
Wenn Du gerne einen Beitrag zur effektiven Planung der Patientenversorgung und zur wirtschaftlichen Leistungssteuerung innerhalb eines Spitalbetriebs leisten möchtest, könntest Du mit deinem Wissen in klinischen Abläufen eine gefragte Fachkraft für die medizinische Codierung sein. Medizinische Codierer:innen sind verantwortlich für die Zusammenführung aller eingehenden Patientendaten und die Erstellung einer Datenbank, die unter anderem für finanzielle Pauschalen von Diagnosefallgruppen verwendet wird.
Das Medizincontrolling kann als Schnittstelle zwischen medizinischen, organisatorischen und finanziellen Diensten gesehen werden. Es dient der Ertragsstruktur und Kostenoptimierung auf Unternehmensebene im Spital. Hier sind gute Statistikkenntnisse und Erfahrung in der Analyse und Interpretation von klinischen und betriebswirtschaftlichen Daten Voraussetzung.
Folgende Fortbildungen im Bereich Medizin-Codierung und Controlling könnten spannend für Dich sein:
Medizinische:r Codierer:in mit eidg. Fachausweis, H+ Bildung
Medizincontroller:in SGfM/H+, H+ Bildung
Eine deutsche Studie [2] zeigt, dass sich rund 42% der befragten Ärzt:innen bereits näher mit dem Thema Existenzgründung abgesehen von einer eigenen Praxis beschäftigt haben. Spielst auch Du mit dem Gedanken ein Problem im Gesundheitswesen mit einer innovativen Idee zu lösen? Bist Du ein:e Macher:in und liebst ein dynamisches Umfeld? Dann solltest Du eventuell über eine Unternehmensgründung nachdenken. Wenn Du wissen willst, wie man als Arzt zum Startup Unternehmer wird, was es dazu braucht und wie der neue Alltag aussehen kann, kannst Du im vsao Journal einen Artikel über Dr. med. Nicola Rüegsegger, den Gründer von Medicus, lesen.
Ein Medizinstudium eröffnet vielfältige Karrierewege – auch jenseits der kurativen Tätigkeit. Ob Klinikmanagement, Pharmaindustrie, Forschung oder Public Health: Deine medizinische Ausbildung bleibt wertvoll und vielseitig einsetzbar.
Quellen
[1] gfs.bern. 2016 . Der Ausstieg aus der kurativen ärztlichen Tätigkeit.
[2] Obermann, K. Brendt, I. & Müller, P. (2020). Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2020/2: Digitale Gesundheitsanwendungen und innovative Startups im Gesundheitswesen. Stiftung Gesundheit.