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OP-Team rüstet auf

“Ich wusste immer, was ich erforschen will – aber der Weg dorthin ist alles andere als geradlinig."

Mit 16 Jahren wusste sie: Die Medizin ist ihre Berufung. Heute ist Dr. Tharshika Thavayogarajah Oberärztin i.V. für Innere Medizin und engagiert sich klinisch-wissenschaftlich im Bereich der Hämatologie. Ein Gespräch über Herausforderungen, Forschung, Mentoring – und den Mut, als Frau in der Medizin neue Wege zu gehen.

Medicus

02.07.2025

Du gehst bald nach Boston – was steht dort an?

Ein Traum, den ich mit 16 Jahren entwickelte, beginnt Wirklichkeit zu werden: In den USA forsche ich nun an den Mechanismen akuter Leukämien – genau jenem Thema, das mich seit meiner Jugend bewegt. Bereits während meines Medizinstudiums war ich in den USA und in Israel, konnte meine Forschung vorstellen, neue Perspektiven gewinnen und internationale Netzwerke aufbauen. Heute gehe ich diesen Weg weiter – mit dem Ziel, Klinik und Forschung miteinander zu verbinden. Langfristig möchte ich in die Schweiz zurückkehren und ein eigenes Forschungslabor aufbauen, das Raum für wissenschaftliche Neugier, Exzellenz und gesellschaftliche Wirkung bietet.

War das schon immer dein Plan?

Mit 16 absolvierte ich ein Schülerpraktikum an der Universitätsklinik Münster – und wusste schnell: Ich möchte in die Hämatologie, klinisch arbeiten und forschen. Die Begegnungen mit Patient:innen und die Tiefe des Fachgebiets haben mich tief berührt. Doch als ich damals nach einem weiblichen Vorbild suchte und „Klinikdirektorin Hämatologie“ googelte, fand ich – niemanden. Schon als junges Mädchen wurde mir so bewusst, wie gross die strukturellen Hürden für Frauen in der Medizin sind.

Was sind das für Hürden?

Karrieren in der Medizin sind nach wie vor häufig auf Männer ausgerichtet. Frauen fehlen sichtbare Vorbilder, Mentoren und gezielte strukturelle Förderung. Während etwa die Hälfte der Männer eine akademische Laufbahn anstrebt, sind es bei Frauen nur rund 10 % – und von ihnen wird letztlich nur ein kleiner Teil tatsächlich gefördert. Das muss sich ändern.

Hast du deshalb dein eigenes Förderprogramm “LEAP-Women” ins Leben gerufen?

Ja, während der Corona-Pandemie entstand „LEAP-Women“ – ein Mentoring- und Coaching-Programm für junge Ärztinnen. Es war meine Antwort auf die fehlende strukturelle Unterstützung für Frauen in der Medizin. Derzeit fehlt mir leider die Zeit, mich intensiv darum zu kümmern. Langfristig ist es mir jedoch ein grosses Anliegen, das Programm wieder aktiv zu beleben.

Was hat dir auf deinem Weg geholfen?

Es waren Menschen, die an mich geglaubt und mich weiterempfohlen haben. Durch das Aiming Higher Programm hatte ich das erste Mal eine Mentorin, die mich gezielt gefördert hat. Ich wusste schon früh, was ich wollte – und bin konsequent drangeblieben. Schon während des Studiums habe ich mich politisch engagiert und habe in meiner Zeit beim VSAO das Ressort Forschung etabliert. Wer etwas verändern will, muss selbst aktiv werden und Verantwortung übernehmen, um das System mitzugestalten.

Was braucht es strukturell für mehr forschende Ärztinnen?

Forschung darf nicht nur in der Freizeit stattfinden. Wer Klinik und Forschung verbinden will, braucht gezielte Programme, Fördermittel, klare Karrierewege – so wie bei PhDs. Momentan brauchst du Publikationen, Empfehlungen und Glück, was sehr zeitintensiv und nicht gerecht verteilt ist.

Was motiviert dich, trotz den schwierigen Umständen, weiterzumachen?

Ich habe gesehen, dass es anders geht. In Utah zum Beispiel war die Hälfte der Direktor:innen Frauen, Diversität war selbstverständlich. Das hat mich inspiriert. Gleichzeitig bewegt sich hier kaum etwas. Wir brauchen neue Modelle – jetzt. Wenn es in den USA geht, sollte dies hier ebenfalls möglich sein.

Wie sorgst du für deine Balance im Alltag?

Ich plane bewusst Zeit für mich ein. Vor allem klassische Konzerte, Freunde, Sport und Reisen geben mir den Ausgleich. Ich arbeite viel, doch ich finde es genauso wichtig, auch mal eine Pause zu machen. Es ist okay, auch mal 80% zu arbeiten anstatt 100% und schlussendlich in ein Burnout zu laufen. Ich empfehle jeder und jedem, gut auf sich zu hören und dies nicht zu unterschätzen.

Hast du noch Tipps für jüngere Ärzt:innen, die einen ähnlichen Karriereweg anstreben?

Baut frühestmöglich bereits euer Netzwerke auf und findet Menschen, die euch unterstützen und eine ähnliche Philosophie teilen. Das motiviert und macht einen stärker. Und: Macht, was euch Freude macht! Falls sich dies inmitten der Facharztausbildung ändert, scheut euch nicht davor, die Richtung zu wechseln. Am Schluss geht es darum, Spass an der Arbeit zu haben.

Vielen Dank, Tharshika!

Tharshika Thavayogarajah

Oberärztin i.V. für Innere Medizin

Dr. Tharshika Thavayogarajah ist Oberärztin i.V. für Innere Medizin und engagiert sich klinisch-wissenschaftlich im Bereich der Hämatologie.

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