Vier Stunden strukturierte Weiterbildung pro Woche sind für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung obligatorisch. Doch was ist genau unter strukturierter Weiterbildung zu verstehen? Ein SIWF-Merkblatt schafft Klarheit.
In vielen Spitälern wird die gesetzlich festgelegte Höchstarbeitszeit von 50 Stunden pro Woche regelmässig überschritten. Trotzdem oder gerade deswegen können die wenigsten Assistenzärztinnen und -ärzte die strukturierte Weiterbildung, die gemäss Weiterbildungsordnung des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) im Umfang von vier Stunden pro Woche obligatorisch ist, besuchen. Teilweise wird diese Weiterbildung von den Spitälern gar nicht angeboten, teilweise kann sie von den Assistenzärztinnen und -ärzten nicht oder nur teilweise besucht werden – wegen der hohen Arbeitslast und/oder suboptimaler Dienstplanung. Das bestätigte sich zuletzt bei der grossen Umfrage, welche die «Neue Zürcher Zeitung» durchführte («NZZ» vom 20.Februar 2023), es entspricht auch den Erkenntnissen der vsao- Mitgliederbefragungen.
Der vsao strebt deshalb die 42+4-Stunden-Woche an mit wöchentlich 42 Stunden Arbeit an Patientinnen und Patienten und vier Stunden strukturierter Weiterbildung.
Wenn dies in der Dienstplanung konsequent so geplant wird, ist die Gefahr, dass die Höchstarbeitszeit von 50 Stunden pro Woche erreicht oder überschritten wird, deutlich kleiner und die Chance, dass die strukturierte Weiterbildung tatsächlich besucht werden kann, wesentlich grösser.
Doch was ist unter strukturierter Weiterbildung überhaupt zu verstehen? Das SIWF hat dazu ein Merkblatt publiziert, das auf der SIWF-Website oder auf der Website des vsao heruntergeladen werden kann. Darin wird unterschieden zwischen der Weiterbildung nach dem Grundprinzip «Learning on the Job», die nicht klar quantifizierbar ist, und der strukturierten Weiterbildung, die im Umfang von vier Stunden pro Woche obligatorisch ist.
Zum «Learning on the Job» gehört der Kompetenzzuwachs, der während der klinischen Dienstleistung entsteht. Dies entspricht aber nicht einer strukturierten Weiterbildung, denn diese muss gemäss dem Merkblatt «eine Struktur haben und einen expliziten Fokus auf die Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte [...]. Wenn die strukturierte Weiterbildung im klinischen Alltag stattfindet, sollte sie eine Vorbereitung, Durchführung und Nach- besprechung der Aktivität beinhalten.» Zu dieser Art von strukturierter Weiterbildung im klinischen Alltag gehören zum Beispiel arbeitsplatzbasierte Assessments, Bedside-Teachings oder EPAs (Entrust- able Professional Activities).
Weitere Formen strukturierter Weiter- bildung werden im Merkblatt aufgelistet. Es sind dies zum Beispiel:
Kongresse und Jahresversammlungen von Fachgesellschaften (mit physischer Präsenz oder auch hybrid/virtuell)
Von der Institution organisierte oder anerkannte moderierte interdisziplinäre Veranstaltungen (auch online), wie zum Beispiel Vorträge und Fallvorstellungen, interdisziplinäre Kolloquien, klinisch-pathologische Konferenzen, Morbiditäts-Mortalitäts-Konferenzen oder CIRS-Besprechungen (Critical Incidents Reporting System)
Klinikinterne Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen im Rahmen von fachspezifischen Curricula wie zum Beispiel Vorträge, moderierte Fallbesprechungen mit didaktischem Fokus, Seminare oder Journal Clubs
Interaktive Veranstaltungen wie zum Beispiel praktische Kurse oder medizinische Simulationskurse
Speziell erwähnt werden im Merkblatt die «Teachable Moments». Das sind «bestimmte Ereignisse, Situationen oder Erfahrungen, die genutzt werden können, um Lernenden etwas zu vermitteln, das zufälligerweise während der klinischen Arbeit erkennbar wird». Sie gelten dann als strukturierte Weiterbildung, wenn sie mindestens zehn Minuten dauern und eine Struktur mit Vorbereitung und Nachbesprechung aufweisen. Da sie aber üblicherweise ad hoc auftreten, können sie nicht als Teil der regulären, zu planenden vier Stunden strukturierte Weiterbildung gezählt werden.
Das SIWF weist im Merkblatt darauf hin, dass «nicht jede Weiterbildungsstätte für sich allein die ganze strukturierte Weiterbildung anbieten muss». Für kleinere Weiterbildungsstätten könne die Zusammenarbeit mit grösseren Kliniken eine wertvolle Option sein. Zentral sei aber, dass «die Weiterbildungsstätte die entsprechende Zeit zur Verfügung stellt, damit die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung die Angebote auch tatsächlich wahrnehmen können».
Die vier Stunden strukturierte Weiterbildung sollten gemäss dem Merkblatt «grundsätzlich jede Woche angeboten werden. Weiterbildungsblöcke (zum Beispiel externe Kurse) sollten im Sinne einer flexiblen Auslegung der Vorgaben berechnet werden.»
Die strukturierte Weiterbildung ist ein zentraler Bestandteil der ärztlichen Weiterbildung. Gemäss den erwähnten Umfragen erhält sie nicht immer und überall den notwendigen Stellenwert. Entsprechende festgestellte Missstände können jederzeit bei der vsao-Meldestelle gemeldet werden. Der vsao verfolgt jeden Hinweis und ist darauf angewiesen, dass entsprechende Meldungen gemacht werden, wenn die Weiterbildung nicht wie vorgesehen besucht werden kann. Herzlichen Dank für Ihre Mithilfe!
Autor: Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer vsao